Trawniki/Warschau am 31.03.42

Der Transport nach Trawniki/Warschau am 31.03.42

Bei diesem Transport nach Trawniki/Warschau lässt sich gut die Praxis der bürokratischen Maschinerie der Gestapo, sowie die Zusammenarbeit der Gestapo mit Kreis- und Ortspolizeibehörden nachvollziehen. Obwohl es nicht endgültig geklärt ist, ob der Transport nun nach Trawniki ins Zwangsarbeitslager oder ins Warschauer Ghetto ging, sprechen die Indizien für Warschau. Meta Neufeld, die mit diesem Transport aus Pattensen verschleppt wurde, wird in Warschau für tot erklärt. Die anderen sechs Pattenser sind wahrscheinlich auch im Ghetto verhungert, beim Aufstand im Ghetto ermordet worden oder wurden in den Gaskammern von Treblinka vergast. 

Der Transport nimmt seinen Anfang mit einem Schreiben vom 19.3.42 der Gestapoleitstelle Hannover in dem der Landrat in Springe über die "Evakuierung von Juden" informiert wird:

"In der Anlage übersende ich 1 Liste der mit dem am 31.3.42 von hier abgehenden Sondertransport abzuschiebenden Juden. Ich verweise auf mein Rundschreiben vom 18.3.1942 und bitte die in der anliegenden Liste namentlich aufgeführten Juden am Sonnabend, dem 28.3.42 im Laufe des Vormittags nach Ahlem (Israelitische Gartenbauschule) bei Hannover zu überführen."
In derselben Anlage bekommt der Landrat unter dem Aktenzeichen II B 298/42 einen Zeit- und Aufgabenplan, den der Gestapo Dienststellenleiter Oberregierungsrat Rudolf Batz erarbeitet hat. Am 23.3.42 sendet dann der Landrat an die betroffenen Bürgermeister und Gendarmerieposten "Verfügungen an die Juden ihrer Gemeinde mit der Bitte um sofortige Aushändigung."

Davon betroffen waren folgende Pattenser Juden:

Name: Vorname: geboren: ermordet in:
Hirschberg Emil 09.02.1879 ungeklärt
Hirschberg Martha 11.12.1884 ungeklärt
Moses Dora-Hella 12.12.1927 ungeklärt
Moses Irmgard 16.07.1929 ungeklärt
Moses Josef 30.12.1925 ungeklärt
Moses Martha 16.07.1892 ungeklärt
Neufeld Meta 19.01.1871 Warschau-Ghetto


Mit der Verfügung wurden den Pattenser Deportationsopfern wahrscheinlich auch noch ein Merkblatt wie in Wunstorf übergeben, in dem genau beschrieben war, wie sie sich auf die "Evakuierung" vorzubereiten hatten. Unter anderen waren folgende Punkte zu beachten:

1.) Sie haben zu der bevorstehenden Evakuierung sofort einen Koffer, keine sperrigen Kisten und dergl., mit Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken... fertig zu packen. (Höchstgewicht 50kg insgesamt).
2.) Essgeschirr mit Löffel (ohne Messer und Gabel).
3.) Vollständige Bekleidung und gute Schuhe, die Sie am Leibe tragen.
4.) Für 6 Tage Verpflegung..., ebenso, wenn vorhanden, Feld- oder Thermosflaschen mit Kaffee, Tee oder dergl....
6.) Weiter haben sie sämtliches Bargeld, Wertpapiere, Sparkassenbücher, sonstige Wertgegenstände wie Schmucksachen, Ringe, Halsketten, Armbänder und dergl. bei der Evakuierung gesondert verpackt mit einer Aufstellung in doppelter Ausfertigung bei sich zu führen, (desgleichen sämtlich Lebensmittelkarten).
7.) Besonders weise ich darauf hin, dass jeder Verkauf, jedes Verschenken oder Verleihen für beide Teile bei strengster Bestrafung verboten ist....

Im Landkreis erhielten insgesamt 31 Juden diese Verfügungen. Bereits am 26.3.42 schrieb der Pattenser Bürgermeister dem Landrat:

"Ich bestätige hiermit, die 7 Verfügungen an die Juden am 25. März 1942 ausgehändigt zu haben."

Am Samstag, den 28.3.42, wurden dann die für den Transport bestimmten Juden von einem Lastwagen mit Anhänger aus Pattensen abgeholt. Dieses war ein Sammeltransport, für die 31 Juden aus dem Landkreis Springe. Hierbei war Pattensen die letzte Station vor dem Sammellager Ahlem. 

In Ahlem angekommen mussten sich die Juden einer Leibesvisitation durch die Gestapo unterziehen, auch wurden sofort die mitgeführten Koffer und Rucksäcke einer Durchsuchung unterzogen. Hierbei wurde ihnen noch das letzte Bargeld abgenommen. 
Am 31.3.42, gegen Mittag, wurden sie dann aus dem Sammellager mit Fahrzeugen der Schutzpolizei und unter deren Bewachung zum Bahnhof Fischerhof in Linden gefahren. 
Der Zug, der laut Zeitplan um 18.15 Uhr in Linden eintreffen sollte, kam erst mit sechs Stunden Verspätung, also ca. 0.15 Uhr aus Gelsenkirchen in Hannover an. Die Juden hatten nun laut Organisationsplan 21 Minuten Zeit, um in den Zug zu steigen, in dem schon 400 Menschen waren. Abgefahren ist er dann so gegen 0.36 Uhr am 1.4.42.
Über die Verhältnisse in der Nacht vom 31.1.42 zum 1.4.42 berichtet ein Zeitzeuge folgendes:

"Der Zug hatte etwa sechs Stunden Verspätung und die von Hannover zum Abtransport Bestimmten hatten während der ganzen Zeit bei strömenden Regen unter freiem Himmel gestanden. Sofort nach dem Halten des Zuges wurde alles wahllos in die Wagen hineingedrängt, ob Platz vorhanden war oder nicht, wurde vorher nicht geprüft."

Mit dem Abtransport der Juden war der Vorgang unter dem Aktenzeichen II B 298/42 aber noch nicht abgeschlossen. Am 15.4.42 erhielten die Landräte des Bezirks, sowie der Oberbürgermeister in Hameln von der Gestapo folgendes Schreiben:

"Nach Übereinkunft mit dem Herrn Oberfinanzpräsidenten Hannover - Dienststelle für die Einziehung von Vermögenswerten - sollen die sichergestellten jüdischen Vermögenswerte den zuständigen Finanzämtern übergeben werden.
Die Finanzämter sind bereits mit entsprechenden Weisungen versehen worden.
Ich bitte, nach vorheriger Vereinbarung mit den zuständigen Finanzämtern, diesen die dort sichergestellten Vermögenswerte (Wohnungseinrichtungen usw.) zu übergeben. Nach erfolgter Übergabe ist ein Übergabeprotokoll hierher zu senden...."

Bereits eine Woche später, am 22.4.42, hat das Finanzamt Springe einen Terminplan "für die Übernahme des Vermögens der abgeschobenen Juden im Kreis Springe" erarbeitet. Dieser wird am gleichen Tag den Gendarmerie-Kreisführern im Kreis Springe zugesandt. 
Das Aktenzeichen II B 298/42 kann von Seiten der Gestapo am 11.5.42 geschlossen werden, denn an diesem Tag werden vom Landrat in Springe die Übergabe-Protokolle der jüdischen Vermögenswerte an die Gestapo in Hannover abgeschickt.