Jüdische Gemeinde

Juden in Pattensen

Erste Hinweise darauf, dass Juden sich in Niedersachsen aufhielten, gibt es aus dem Jahre 1074. In diesem Jahr sind Juden aus Worms in Goslar beurkundet.

Über die Anwesenheit von Juden im mittelalterlichen Pattensen gibt es mehrere Quellen. Als erstes werden sie 1350 in einer Hildesheimer Stadtrechnung aufgeführt. Im Jahr 1383 lebte ein Pattenser Jude in Hildesheim mit dem Namen "Isaak (Ysak)", wobei in Klammern die Funktion des Betreffenden in der jüdischen Gemeinde genannt wird. In diesem Fall ist es: "Ysak scholemaster", was einem Rabbiner gleichzusetzenden führenden Gelehrten und Vorsteher der Gemeinde entspricht. Es sieht so aus, dass zu der Zeit schon viele Juden in Pattensen ansässig waren, so dass eine Gemeinde bestand.

Auch der sogenannte "scholemaster" ist ein Indiz für eine bestehende Gemeinde, denn er kann sich nur in einer solchen herangebildet haben. Mit der großen Pestepidemie (1348 bis 1350), für die in erster Linie Juden verantwortlich gemacht wurden, kam es zu Pogromen gegen sie und zu ihrer Vertreibung aus den meisten Städten. Das wird wahrscheinlich auch in Pattensen so gewesen sein. In den folgenden Jahren sind die Juden aber wieder in die Städte und Gemeinden zurückgekehrt. Auch für Pattensen lässt sich dieses wieder durch eine Erwähnung eines Juden namens "Heyem" aus Pattensen in einer Kämmereirechnung der Stadt Hildesheim aus dem Jahre 1446 belegen.

Weitere Belege über eine jüdische Gemeinde in Pattensen für das Mittelalter fehlen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass letzte Reste einer bestehenden Gemeinde in Pattensen spätestens 1553 ihr Ende fanden, als Erich II die Vertreibung aller Juden aus dem Fürstentum Calenberg anordnete. Jüdische Einwohner in Pattensen lassen sich dann erst wieder am Anfang des 18. Jahrhunderts nachweisen. Bis ins 19. Jahrhundert war es dann den Juden nur gestattet, sich in einer Gemeinde aufzuhalten, wenn sie einen kurfürstlichen Schutzbrief besaßen, mit dem sie berechtigt waren, an einem bestimmten Ort zu wohnen und ein Gewerbe zu betreiben. Dieses änderte sich, als im Zuge der Aufklärung auch den Juden ein gewisses Maß an Freiheiten gewährt wurde. Maßgeblich für die sogenannte Emanzipation der Juden war das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Juden vom 30.9.1857 im Königreich Hannover, das den Juden nun die Wahl des Wohnortes und die Ausübung verschiedener Berufe zugestand. Damit hatten sie aber immer noch keine politischen Rechte und waren auch von staatlichen Ämtern noch ausgeschlossen. Dieses Gesetz hatte in Pattensen zur Folge, dass die Juden nun als vollgültige Bürger anerkannt wurden. Sie durften sich auch ab 1845 ins Bürgerbuch eintragen lassen.

Die jüdische Gemeinde

Aufbau der Gemeinde

Zur Gründung einer jüdischen Gemeinde sind mindestens zehn männliche Juden, die das 13. Lebensjahr vollendet haben, Voraussetzung. Aufgrund des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Juden vom 30.9.1842 wurden am 24.11.1843 im Landesrabbinat Hannover 37 Synagogengemeinden offiziell anerkannt. Darunter auch die jüdische Gemeinde Pattensen/Hüpede.

Das geistige Oberhaupt einer Gemeinde war der Rabbiner. Der Titel "Rav" - Rabbi - bedeutet "mein Herr, mein Lehrer". Als letzter Rabbiner wurde Jacob Apt in Pattensen von der jüdischen Gemeinde gewählt. In religiösen Angelegenheiten unterstand der Rabbiner nur dem Landesrabbiner. Ebenfalls von der Synagogengemeinde wurden die Vorsteher gewählt. Die Vorsteher waren für die Angelegenheiten der Gemeinde und dabei hauptsächlich für ihre Vermögensverwaltung zuständig. Aber auch die Organisation der jüdischen Armenpflege gehörte zu ihrem Aufgabenfeld. Weiterhin vertraten sie die Gemeinde in rechtlichen Angelegenheiten. Einen Rechtsstreit durften sie allerdings nur mit Genehmigung der Gemeinde führen. Das Amt eines Vorstehers war ehrenamtlich und durfte nicht entlohnt werden, nur Ausgaben, die zu seiner Arbeit nötig waren, wie zum Beispiel Papier und ähnliches, wurden ersetzt. Die Vorsteher wurden auf die Dauer von drei Jahren gewählt. Einer der Gemeindevorsteher wurde auch gleichzeitig zum Rechnungsführer ernannt, der sich, wie oben schon erwähnt, um die finanziellen Angelegenheiten der Gemeinde zu kümmern hatte. In der Hauptsache waren das Abgaben, die die ortsansässigen Juden an ihre Gemeinde zu richten hatten. Dafür hatte die Synagogengemeinde Pattensen eigene Statuten.

Aufgrund der Statuten wurden folgende Abgaben erhoben:

  • Das Einkaufsgeld; dieses musste bei Neueintritt in die Gemeinde bezahlt werden. Dieser Betrag lag zwischen 30 und 100 Mark. Festgesetzt wurde er durch einen Gemeindebeschluss.
  • Die Gemeindesteuer; sie wurde jedes Jahr durch einen Gemeindebeschluss neu festgesetzt und musste von jedem Mitglied entrichtet werden.
  • Das Stellgeld; für die Einräumung eines Sitzplatzes in der Synagoge, dafür mussten jährlich 9,60 Mark aufgebracht werden.

Durch diese Einnahmen musste sich die jüdische Gemeinde selbst finanzieren.

Die Pattenser Synagoge

Erste Hinweise auf eine bestehende Synagoge befinden sich auf einem "Situations-Plan" von den Pachtgebäuden der Burg von Pattensen aus dem Jahre 1837. Darauf ist auch ein sogenannter "Judentempel" verzeichnet. Wie lange der schon existierte, war aus den Quellen nicht ersichtlich. Diese Synagoge wurde den Juden zu klein, so dass sie im Juni 1850 den Beschluss fassten, eine neue Synagoge zu bauen. Diese neue Synagoge wurde am 7.2.1858 eingeweiht. Zerstört wurde sie dann 1938 im Zuge der Reichspogromnacht.

Die jüdische Schule in Pattensen

 Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Juden vom 30.9.1842ordnete auch das jüdische Schulwesen. Die jüdischen Gemeinden waren nun berechtigt, jüdische Schulen einzurichten. Bis dahin hatten die bestehenden Schulen den Charakter einer jüdischen Privatschule. Den Eltern der jüdischen Kinder war es freigestellt, diese in der jüdischen oder in der christlichen Schule unterrichten zu lassen. Das schulpflichtige Alter war in den jüdischen Schulen dasselbe wie in den christlichen. Es begann mit dem vollendeten 6. Lebensjahr und endete mit dem Ablauf des Halbjahres, in dem das 14. Lebensjahr vollendet war. Die jüdische Schule war in Pattensen in der ersten Etage der Synagoge untergebracht. Der jüdische Religionsunterricht war der wichtigste Bestandteil des Unterrichts für alle schulpflichtigen Kinder.

In der jüdischen Schule wurde ca. 11 Stunden pro Woche in den Fächern Religion und Hebräisch unterrichtet; aber auch die allgemeinbildenden Fächer fehlten im Unterrichtsplan nicht.

Die religionsbezogenen Fächer:

  • hebräisches Lesen und jüdisches Schreiben;
  • hebräische Sprüche und Gebete sowie deren Übersetzung;
  • Die Übersetzung und Erklärung der heiligen Schrift;
  • hebräische Grammatik;
  • biblische und jüdische Geschichte;
  • systematische Religionslehre;
  • rabbinische Schriften und Gesang;

 Der Lehrer in Pattensen war gleichfalls der Rabbiner Jacob Apt. In Pattensen gab es eine einklassige Schule. Die Schülerzahl schwankte in den ersten Jahren zwischen 12 und 20 Schülern. Da die Schülerzahlen in den zwanziger Jahren zurückgingen, beantragte die jüdische Gemeinde am 24.4.1924 erstmals eine Schließung der Schule, die aber von der Landesregierung in Hannover abgelehnt wurde mit der Begründung, dass es noch 10 Schüler seien, die unterrichtet werden müssen. Ein zweiter Versuch der Schließung wurde am 3.6.1930 unternommen, der dann auch erfolgreich war. Die jüdische Schule wurde Ende Juli 1930 geschlossen. Danach gingen die Kinder in die evangelische Volksschule in Pattensen. Der jüdische Religionsunterricht fand aber zweimal in der Woche noch im Schulzimmer der Synagoge statt.

Die jüdischen Friedhöfe

Die Synagogengemeinde Pattensen besaß zwei Friedhöfe. Ein Friedhof lag an der Göttinger Straße. Die erste Bestattung auf diesem Friedhof dürfte Anfang des 19. Jahrhunderts stattgefunden haben. Der Friedhof wurde ursprünglich, genau wie der christliche Friedhof, außerhalb der Stadtmauer angelegt. Durch die zunehmende Besiedlung geriet er bis zu seiner Schließung am 9.11.1938, in die Mitte des Stadtbildes. Ein Zeitzeuge berichtet von etwa 10-20 Grabstellen auf dem 153 m² großen Friedhof.

Der jüngere Friedhof liegt auf den Lehmkuhlen an der alten Mühle. Hier wurde die erste Bestattung im Jahre 1871 vorgenommen. Die letzte festzustellende Bestattung fand im Dezember 1940 statt.

Die jüdischen Vereine

Die Synagogengemeinde Pattensen hatte zwei eigene Vereine. Einmal den 1890 gegründeten Frauenverein mit 9 aktiven Mitgliedern am 5.8.1934 und den ebenfalls 1890 gegründeten Männerverein mit 4 aktiven Mitgliedern. Diese Vereine wurden zu Wohltätigkeitszwecken von der jüdischen Gemeinde gegründet. Sie hatten die Aufgabe, die in der Gemeinde gesammelten Gelder und Naturalien an die bedürftigen Juden zu verteilen. Die Zeitzeugin Miriam W. beschreibt eine weitere Aufgabe des Frauenvereins:"Meine Mutter war Vorstandsdame vom Frauenverein. Dieser war aktiv in Ausbildung der Kinder, und organisierte Aufenthalte in Ferienheimen für Kinder, die es nötig hatten."

Die sozialen Verhältnisse der Juden in Pattensen

Der in Pattensen hauptsächlich von Juden ausgeübte Beruf war der des Schlachters. Von den 41 Juden, die sich in den Jahren 1845 bis 1931 ins Bürgerbuch aufnehmen ließen, waren 23 Schlachter. Aber auch Berufe wie Bürstenmacher (3), Viehhändler (1), Händler (3), Elektrotechniker (1) und Autoschlosser (1) übten sie aus. Viele Juden in Pattensen waren selbständig tätig oder arbeiteten im familieneigenen Betrieb mit. Diese hatten dann meistens ein eigenes Haus in der Stadt wie ihre christlichen Mitbürger auch. Und trotzdem lebten die Pattenser Juden in bescheidenen Verhältnissen. Es gab auch sozial Bedürftige, alte und kranke Menschen, die sich nicht selbst ernähren konnten. Diese wurden dann von den oben erwähnten Männer- und Frauenvereinen unterstützt.